Was vermisst man wenn man OS 9 bedient? Klickt man auf die rechte Maustaste, so tut sich nichts. Aha, deswegen hatte die „Puck“-Maus von Apple nur eine einzige Taste. Verwunderlich für jemanden der vom 2-Tasten Windows auf ein 2 Tasten Mac OS X und dann auf ein 1-Tasten OS 9 umsteigt. Wobei ich jedoch OS X auch auf dem iMac den Vorzug gebe. Der Grund: das Internet.

Dabei wäre doch eine 1-Tasten-Eingabe über die Maus durchaus noch ausreichend für das Web 2.0. Doch nachdem ich mühsam Mac OS 9 PPPoE-fähig gemacht hatte, stellte ich fest, dass es keine aktuellen Browser gibt, welche das Internet von Heute richtig darstellen können. Soviel zur Einleitung und wie ich auf meine Frage überhaupt kam.
Hier geht es im Folgenden nicht um das Bedienen oder technische Voraussetzungen, sondern um die Frage:
Ist das Web 1.0 tot?
Ich stelle deswegen diese Frage in den Raum, da Mac OS 9 seinerzeit als das beste Internet-OS angepriesen wurde, dem sogar die Software PageMill 3.0 von Adobe beilag, einem Editor für Homepages mit grundlegenden HTML-Features.

Wie man sieht glaubte eine ganze Branche einmal daran, dass jeder Mensch eine Homepage besitzen würde auf der er sich präsentiert, neues aus seinem Leben schreibt und sich somit ein „Heim“ im Internet schafft. Doch es scheint, als würde heutzutage keiner mehr gerne ein eigenes Haus bauen wollen bzw. eine Bausparvertrag abschließen, um sich irgendwann mal ein Haus zu bauen. Wo sind also die vielen Menschen im Netz nur hin?
Die Antwort: sie leben in Mietskasernen genannt „Communities“. Was können also Communities, was Homepages im klassischen Sinne nicht können? Hier eine kleine Übersicht:
1. Schnelle Einrichtung: Zeit ist ein wichtiger Faktor. Und viele haben auch gar keine Lust ein paar Zeilen HTML zu schreiben. Diese wollen einfach nur schnell ein paar Worte loswerden oder irgendwie in „Kontakt“ bleiben. Dabei zahlen viele auch schon den ersten Preis: sie geben mindestens ihre E-Mail Adresse an. Dagegen braucht eine Homepage eine Domain, Webspace und ein wenig Geld um die ersten beiden Dinge zu bezahlen.

2. Alle „Freunde“ an einem Ort: ein weiterer Unterschied zur klassischen Homepage ist der, dass Communities die Möglichkeit bieten sich an einem Ort im Netz mit Freunden zu „treffen“. Auf einer Homepage vielleicht nur durch ein Gästebuch gegeben, welches als Forum „missbraucht“ wird.

3. Neue Leute schnell kennenlernen: so einfach war es dank der Communities noch nie neue Menschen völlig unverfänglich kennenzulernen. Wie tief jedoch diese sozialen Bindungen sind ist ungewiss.
Nun stellt sich mir aber die Frage: sind das Gründe warum das Web 1.0 nur noch in Nischen existiert und die Homepages vor allem von Firmen genutzt werden?
Was spricht also für eine Homepage. Zum einen kann man sich auf einer Homepage ausführlicher und differenzierter im Netz präsentieren. Da Profile in den Communities meist genormt sind und sich nicht x-beliebig erweitern lassen, haben Nutzer einer Homepage die Möglichkeit mehrere Seiten mit unterschiedlichen Inhalten, Facetten und Formen zu schaffen, welche allen anderen Nutzern des Internets zugänglich sind. Es ist also im Normalfall kein Walled Garden, sondern vielmehr eine Art Nachbarschaft unter den Homepages. Dabei kann man auch mal in „Nachbars Garten“ gucken und guten Tag sagen. Versuchen sie das mal in einer fremden „Mietskaserne“.

Kommen wir also zum interessanten Punkt der Kommunikation. Hier wird es auf den ersten Blick schon schwierig zu sagen, inwieweit Homepages auch soziale Netzwerke fördern oder bilden können. Doch die Lösung ist in der Geschichte des Internet relativ alt und zuverlässig: die E-Mail. Und hier sieht man ein interessantes Phänomen: auf einer Homepage sieht man meist einen Button names „mail me“. Man klickt drauf und schreibt dem Besitzer der Seite eine Mail und schafft somit einen kommunikativen Raum. Nun schauen wir uns eine Internet-Community am Beispiel StudiVZ an. Man schreibt in ein Forum oder Gästebuch, man schreibt vielleicht sogar eine private Mitteilung. Was passiert? Der Nutzer den man anschreibt wird eine E-Mail bekommen, wie dazu auffordert doch mal auf die Seite der Community zu schauen was sein virtueller Gegenüber geschrieben hat. Und hier stellt sich mir die Frage: ist eine einfache E-Mail nicht schneller und leichter? Ein Punkt also für die Homepage in Sachen Kommunikation mit einer einzelnen Person.

Nun schauen wir uns an wie das ganze mit mehreren Menschen funktioniert. Ich schreibe bei StudiVZ mit mehreren Menschen in einem Thread. Jedes Mal wenn jemand schreibt bekomme ich eine E-Mail, dass Person XY einen neuen Beitrag verfasst hat. Mein Postfach wird also bei reger Kommunikation leicht anschwellen. Schauen wir zurück auf die Homepage mit ihrem Kommunikationsmittel E-Mail. Hier gibt es die Möglichkeit Verteiler einzurichten in denen sich mehrere Menschen einen Kommunikationsraum schaffen. Nun aber zu einem Unterschied zu StudiVZ: Person A startet ein Thema, in dem er eine Anfrage an alle stellt. Dabei bekommen alle Teilnehmer eine Mail. Nun antwortet Person B Person A. Jedoch hat dieser die Möglichkeit direkt zu antworten ohne über den Verteiler zu gehen. Man spart sich also das aufquellen der Postfächer und kann gezielt antworten.

Aus linguistischer Sicht halten sich also Menschen, welche direkter kommunizieren an die Konversationsmaximen von H. P. Grice. Insbesondere der Punkt „sei relevant“ ist in Communities oft nicht gegeben. Diese Behauptung stelle ich auf, da ich in mehreren Foren aktiv bin und immer wieder feststelle, dass es viele irrelevante Meinungsäußerungen gibt, welche nicht zum Fortschritt eines Themas beitragen.
Nun noch ein paar Schlussgedanken zum Sonntag. Eine Homepage bietet also genau wie ein Forum Raum um sich anderen gegenüber zu artikulieren. Natürlich muss man auch sagen, dass die Reichweite nicht so groß ist, da man Mails im Gegensatz zu manch Forenbeitrag nicht „ergoogeln“ bzw. von Außen einsehen kann. Die Artikulation bleibt also zunächst bestimmten Nutzern vorenthalten. Doch sehen wir uns das mal aus einer pragmatischen Sichtweise an: möchte sich also Person A gegenüber der gesamten Netzwelt artikulieren, so kann er eine Homepage für seine Artikulation nutzten. Dabei ist er, im Gegensatz zu Foren, für seine Äußerungen haftbar. Eine Homepage verleiht also auch einen Grad an Eigenverantwortung. Zudem muss ein Beitrag eine gewisse Relevanz besitzen, damit er gelesen wird. Wenn ich also schreibe, dass das Wetter ganz gut ist, dann ist das nicht sonderlich relevant. Schreibe ich jedoch Gedanken wie diesen hier zum Web 1.0 nieder, so erhält meine Äußerung ein gewisses Maß an Relevanz.
Wo stehen wir also? Nachdem Ende der großen klassischen Web 1.0-Welle von Homepages organisieren sich viele Menschen in Communities. Diese werden derzeit auch mehr als genug beachtet und analysiert. Dabei sei Jacob Nielsen mit seiner „90-9-1-Regel“ erwähnt, welche das besagt, was auch schon das long-tail-Prinzip besagt: nur ein kleiner Prozentsatz der Nutzer von Communities ist aktiv und schreibt, bzw. generiert Content, regelmäßig (1%). Dann kommt die Gruppe der Gelegenheitsschreiber (9%) und dann der große passive Rest (90%), welcher nur liest, klickt und herunterlädt. Sieht so etwa das „Mitmachnetz“ (aka Web 2.0) aus? Oder sollten wir uns auf die „Tugenden“ des Web 1.0 zurückbesinnen und erst einmal lernen, wie man Content relevant generiert und dabei sich ein wenig in Ästhetik übt.
Aber halt: würde das bedeuten, dass das Web 1.0 genau wie das Web 2.0 ein „Mitmachnetz“ ist? Aha, wir haben es alle geahnt: das Web lässt sich nicht in Versionsnummern einteilen. Wie wir am Beispiel Homepage vs. Community sahen kann man heutige Communityfunktionen auch mit einer Homepage nachbilden und hat dabei teilweise mehr Freiheiten um im Netz „mitzumachen“.

Der Vorteil dieses „Rückschrittes“ auf das Prinzip Homepage sähe folgendermaßen aus: „schlechte“ Homepages würden nicht beachtet (hierbei ist „schlecht“ auf den Inhalt bezogen) und die Studierenden würden nicht mehr mit drei Fragezeichen über dem Kopf vorm Monitor sitzen und sagen: „StudiVZ ist offline, was nun?“